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Das Beiern

Beim Beiern werden die Klöppel über Seile angeschlagenNein, dies ist kein Tippfehler in der Überschrift, und auch die Rechtschreibreform hat bei unserem südlichsten Bundesland nicht zugeschlagen. Denn das ist hier auch nicht gemeint. Beiern ist eine alte Tradition im Rheinland und Umgebung. Dabei werden die Glocken nicht wie gewöhnlich durch hin- und herschwingen zum klingen gebracht, sondern die Klöppel der einzelnen Glocken an ein Seil gebunden und dann von Hand gezogen oder gedrückt. Daraus entsteht dann eine Melodie.

Da in den meisten Pfarreien "nur" eine Hand voll Glocken vorhanden sind, reichen die vorhandenen Töne in der Regel nicht, um ein komplettes Lied zu spielen. Bei idealer Kombination kann immerhin ein Lied angestimmt werden, in Kreuzweingarten z.B. "Großer Gott, wir loben Dich" oder ein "Gloria". Als Hauptmelodie wird eine oder mehrere auf die vorhandenen Glocken "optimierten" (um es mal im EDV-Chinesisch auszudrücken) Stücke gespielt. Jede Pfarrei, in der das Beiern noch gepflegt wird, hat ihre eigenen traditionellen Melodien.

Oft wird dazu noch ein Beierspruch gesprochen, von dem die Zuhörer freilich nicht viel hören. In Kreuzweingarten ist dies z.B.:

Wöngendes Kauch hätt Zupp jekauch, die janze Wauch, vun eenem Knauch

Auf Hochdeutsch: Der Kreuzweingartener Koch hat Suppe gekocht, die ganze Woche, von einem Knochen. Eine Abwandlung davon ist:

Em Wöngede Lauch han se Morre gekauch, die janze Wauch, möt eenem Knauch.

Wieder im Hochdeutsch: Im Kreuzweingartener Loch (=Tal) haben sie Möhren gekocht, die ganze Woche, von einem Knocken.

Die Melodien werden recht schnell gespielt, mit bis zu 6 Anschlägen die Sekunde (=240 bpm). Gerade im Sommer (z.B. an Schützenfest), wenn es sehr warm ist, können die Beiermänner nach dem 10 minütigen Spiel ihre Hemden auswringen. Ein ehemaliger Pfarrer verglich die Leistung mal mit einem 3000m Lauf. Na ja, ganz so schlimm ist nicht.

Gebeiert wird immer an hohen Feiertagen, in Kreuzweingarten ist es Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Schützenfest, Pfarrfest/Kirmes und bei der Erstkommunion. Welche Melodie wann gespielt wird, steht nicht fest. Aber an Kirmes und Schützenfest wird schon mal etwas fester reingehauen... Zu feste darf es aber nicht sein, es wurden bereits lädierte Glocken gemeldet. Die Melodien werden immer "virtuos" zusammengestellt, kein Beiern ist also wie das andere. Die Länge hängt natürlich auch von den sonstigen Gegebenheiten ab. An Schützenfest ist anschließend Fahnenschwenken, so daß hier etwas kürzer gebeiert wird, als an Pfingsten oder Ostern. Von letzeren Festen profitieren auch die Nicht-Kirchengänger, da hier spät in der Nacht bzw. früh am Morgen gebeiert wird. Angenehmen Schlaf!

Während in der Nachkriegszeit das Beiern immer mehr ausstarb (nicht so in Kreuzweingarten), wird es mittlerweile wiederentdeckt. Eine Suche im Internet bestätigt dies.

Schema des Beierns

Um einen Eindruck vom Beiern zu erlangen, gibt es ein paarHörproben (*.wav, je ca. 80kB)

und ein kurzes Video (*.wmv, ca. 140kB).

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